kb-nachgefragt: Interview mit Jan-Friedrich Conrad, Hörspielmusiker

kb-nachgefragt: Interview mit Jan-Friedrich Conrad, Hörspielmusiker

Die drei Fragezeichen – das sind 46 Mio. verkaufte Tonträger. An etlichen davon hat Jan-Friedrich Conrad mitgetüftelt. Gemeinsam mit seinen vielen Musiker-Kollegen. Er ist Komponist der Hörspielreihe “Die drei Fragezeichen”. Seit 30 Jahren sitzt er hinterm Mischpult und lieferte bis Folge 151 (Schwarze Sonne) die kultige Melodie zu Beginn einer jeden Folge. Außerdem sorgt er für die wichtigen Spannungsmomente innerhalb der Geschichten. Stimmung erzeugen, das ist das Credo von unserem Hörspielmusiker.

& wo sind die Musiker? Jan-Friedrich ist ein ganzes Orchester. Er spielt alle Instrumente selbst: die akustischen, elektrischen und elektronischen, die analogen und digitalen, die handfesten und virtuellen!

Welche Rolle spielt Musik in einem Hörspiel?

Jan-Friedrich Conrad: Musik erzeugt Atmosphäre, bildet Überleitungen, transportiert “Bedeutung” auf mehreren Ebenen. Es gibt gelegentlich ein Leitmotiv für die Detektive. Insbesondere kann Musik aber mit Zeichen Bedeutung erzeugen, das ist die so genannte Semiotik in der Musik. Wenn ich beispielsweise Streichertöne dissonant im Diskant wiederhole, forte, dann setze ich einen Verweis auf die Dusch-Szene in Hitchcocks “Psycho”. Eine schaurige Orgel würde eher auf die Stimmung eines Agatha-Christie-Mord-Rätselfalles verweisen und so weiter.

Du bist anerkannter Musikproduzent und Komponist, kennst Dich bestens aus in Sounddesign und Tontechnik, bist als Autor, Dozent und Publizist tätig, tourst als Rockmusiker mit Gitarre, Bass und Keyboard durch die Gegend … Nicht zuletzt führst du als Heilpraktiker eine eigene Praxis mit dem Schwerpunkt Gesprächspsychotherapie. Bist du ein Multigenie, der seine Leidenschaften zum Beruf gemacht hat, oder schlichtweg ein Arbeitstier? ☺

J.-F. Conrad: Das ist eine Frage der Perspektive. Ich würde es bescheidener ausdrücken. Ich muss meine Brötchen verdienen, meine Steuern bezahlen und mein Instrumentarium auf der Höhe der Zeit halten. Da habe ich jeden Tag das Gefühl, mich ganz schön ranhalten zu müssen. Live toure ich derzeit nicht. Aber bei unseren Musical-Produktionen spiele ich gerne in der Band, was so anfällt – Gitarre, Bass oder Keyboards.

Nimm uns mit auf eine kleine Zeitreise – Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Hörspiellabel EUROPA?

J.-F. Conrad: EUROPA-Gründer Andreas “Onkel Titus” Beurmann war nicht nur ein berühmter Sammler, Restaurator und Kenner historischer Tasteninstrumente, sondern auch ein Freak und aktiver Künstler, wenn es um elektronische Musikinstrumente ging. Und er hielt in seiner Eigenschaft als Professor für Musikwissenschaft in der damaligen EUROPA-Villa in der Hamburger Agnesstraße Seminare über Musikelektronik ab.

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Jan-Friedrich unterwegs in Italien

Die ließ ich mir als Student der Musikwissenschaften natürlich nicht entgehen, und ich dachte strategisch genug, nicht ohne Demo-Cassette da hinzugehen. Die Musik gefiel sofort. Ich vergesse nie, wie Andy Beurmann nach dem Hören erst mal nichts sagte, sondern vom Erdgeschoss in den zweiten Stock rief: “Heikedine! Heikedine! Kommst Du mal eben?” Die Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen gefällt und umgesetzt wurden, habe ich sofort registriert und mir zum Maßstab gemacht. Ich verließ das Haus dann mit einem Skript für “Das Schlosstrio”, einer Telefunken-M15-Senkelmaschine zum fachgerechten Aufnehmen meiner Titel – und mit einer riesigen Chance, aus dem mir entgegengebrachten Vertrauen etwas zu machen.

Ein Gedankenexperiment: Die kassettenbox konzipiert ihr eigenes Hörspiel: eine Weltraum-Trash-Saga mit fiktiven Charakteren aus einer fernen Galaxie. Das Manuskript ist fertig, die Sprecher sind gebucht, der Geräuschemacher ist engagiert. Du bist für die passende Musik zuständig. Wir alle sind noch ganz frisch im Geschäft und haben keinen Schimmer, welche Musik zu unserem Hörspiel passen könnte. Wie entscheidest Du dich?

J.-F. Conrad: Ich würde fragen, ob es Remineszenzen an andere Weltraum-Epen geben soll, etwa an Science-Fiction der 60er-Jahre. Dann hätte ich gleich “Orgel und Theremin” im Ohr. Die Atmo von “Star Wars” wäre orchestraler, man könnte aber auch sehr modern, abstrakt elektronisch denken. Kurz: Ich würde fragen, welche Atmo Ihr wollt, auf was Ihr Bezug nehmt. Keine Geschichte wird in einem leeren Raum ohne Rückgriff auf das Vorhandene erzählt. Also muss man sich das bewusst machen, bedienen, oder absichtlich brechen.
Und, äh: Lass rüberwachsen, machen wir!

Wieviel Freiraum lässt Dir das Hörspiellabel EUROPA bei der Komposition der passenden Musik?

J.-F. Conrad: Jeden. André Minninger ist der engagierteste, kritischste Co-Regisseur, den man sich denken kann, und er denkt viel über Musik nach. Er ist offen für vieles, und wenn es nicht passt, kann er es wunderbar direkt sagen, mit Eigenschaftswörtern, die sogar ich verstehe. So erziele ich eine hohe Trefferquote, ohne dass ich mich wiederhole. Es gehört zum Geschäft, dass man auch Ausschuss produziert, aber das ist nicht viel, und er dient dazu, sich noch genauer zu verstehen, was man will und was die ästhetischen Ideen der Regie sind. Danke, André!

Von Dir stammt die neuere Titelmelodie der Hörspielserie Die drei ??? Sie wurde mit Hilfe eines Vocoders eingesungen. Um was handelt es sich dabei genau?

J.-F. Conrad: Der Vocoder ist verblüffenderweise eines der ältesten Instrumente der Musikelektronik. Man kann ihn verkürzt erklären, dann wird man ihm aber nicht gerecht. Es ist im Grunde eine so genannte Filterbank, die ein Signal, etwa das eines Synthesizers in Echtzeit so filtert, dass der spektrale Gehalt eines anderen Signals, eines Mikrofons, nachgebildet wird. Da die Vokale und Konsonanten bestimmte Frequenzspektren aufweisen, erkennt man diese wieder.

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Jan-Friedrichs Wirkungsstätte – sein heimisches Tonstudio

Die Worte “Die drei Fragezeichen” hatte ich also gesprochen (nicht gesungen), während der Sequenzer den Synthesizer die Harmonien spielen ließ. Der Vocoder macht daraus diesen charakteristischen Effekt. Das Ganze passierte beim Mastering, live.

Die Hörspielserie “Die drei Fragezeichen” hat, obwohl sie in einem fiktiven Kalifornien spielt, etwas sehr Deutsches an sich, wie Elektronische Musik. Da ist dieses aufgeklärte Ingenieursdenken, eine Ästhetik, die das Mysteriöse liebt, aber das Magische als Erklärung ablehnt. Das passt immer wieder zu elektronischen Arrangements, obwohl die akustischen Instrumentierungen auch immer wieder für eine Wertigkeit sorgen.

Wieviel Musik steckt in einer typischen Die drei ???-Folge?

J.-F. Conrad: Die Frage kann ich nicht präziser beantworten als jede Hörerin oder jeder Hörer. Immer mal wieder etwas, würde ich sagen.

Auf welche Melodien welcher Folgen der drei ??? bist Du besonders stolz oder anders: Welche Melodien könntest Du Dir tagtäglich anhören?

J.-F. Conrad: Ich denke wenig in Folgen oder kann abrufen, wo was eingesetzt worden wäre. Und ich würde meine eigene Musik nicht täglich hören wollen, wohl aber “manchmal”. Die Musik der Inka-Mumien-Planetariums-Hörspielvariante ist sehr atmosphärisch dicht geraten.

Bist Du selbst Die drei ???-Hörer und wenn ja, welcher der drei Detektive ist Dein Favorit?

J.-F. Conrad: Ich höre immer mal wieder die Fragezeichen, tauche auch ein in die Geschichte. Ich habe keinen Favoriten, sondern wundere mich manchmal eher, dass die Geschichte so konstruiert ist, dass es einen “Ersten Detektiv” gibt, der mehr Held ist als die beiden anderen Freunde. Es funktioniert ja offensichtlich gut, aber es wäre mir selbst nie eingefallen, es so zu schreiben, dass der Justus immer der hartnäckigste Denker ist.

Bekommen wir demnächst wieder etwas auf die Ohren von Dir?

J.-F. Conrad: Ja, erstens bin ich ständig dabei, Heikedine Körting und André Minninger zu bemustern und zu beliefern. Immer, wenn ich kreativ bin, sammle ich das und stelle es den beiden vor. Und außerdem plane ich Releases meiner Musik, ganz zeitnah, nur dass die Details noch nicht ganz feststehen. Ich produziere Hörspielmusik, da gibt es viel Neues, aber auch manches alte, was unveröffentlicht ist und nun kommen soll. Hierbei ist insbesondere der nicht physische Vertrieb interessant, also Download, aber insbesondere auch – weil es einfach für den Hörer günstiger ist – als Streaming in allen großen Portalen.

Ich mache aber auch Instrumentalmusik, die für sich steht, ohne „Hörspielmusik“ zu sein, und nicht zuletzt habe ich Musicals komponiert, die wir mit Piehls Showpalast auch auf die Bühne gebracht haben und weiter bringen werden. Ich werde da alsbald einiges liefern, da ich jetzt die Strukturen für den Online-Vertrieb und das Streaming geschaffen habe. Das neue Hörspielmusik-Album steht in den Startlöchern, ich gebe Euch sofort Bescheid, wenn es in den Online-Musikdiensten zu hören ist! Ich kann es nur heute noch nicht sagen, da das Kleingedruckte der Verträge, die dazu gezeichnet werden müssen, in diesen Tagen noch verhandelt wird. Ich gehe aber von diesem Winter aus!

Jan-Friedrich, wir danken Dir herzlich für dieses Gespräch.


Wenn du mehr über den Hörspielmusiker und Komponisten Jan-Friedrich Conrad erfahren willst, besuch ihn doch mal auf seiner Webseite.


Hier gelangst du zu unserem kassettenbox Vocoder Sample. Es lohnt sich!

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